„Respekt!“ fordern Revolutionäre und Straßenkulturelle und wissen doch gar nicht mehr, was das bedeutet. Einst Zurücktreten vor Größe und Leistung des anderen, heute Hiphop-Floskel im Mund von prügelfreudigen Krawallbrüdern.
Selbst die Karl-May-Schinken mit Lex Barker, Pierre Brice und Stewart Granger würden sie heute wohl ganz anders sehen, als meine Generation, näher an der Zeit ihrer Entstehung. Die „Guten“ verkörpern eben nicht nur Kraft und Durchsetzungsvermögen, sondern Edelmut. Sie sollen nicht wegen ihrer starken Faust gewinnen, sondern weil sie die Freiheit verteidigen.
Im Konzertsaal quatschen sie in einer Tour, unsere Respektbesessenen, die sich sonst mit jedem prügeln wollen, der sie einmal versehentlich gestreift hat. Sie haben die Musiker schließlich für diesen Abend gemietet. In wenigen Jahren hat die Lautstärke der Störgeräusche im Konzert heftig zugenommen, ohne dass es irgendjemanden zu stören scheint.
Wo alles menschengemacht sein muss, verliert sich der Sinn für die stille Würde eines Geschehens. Wiesen und Wälder sind ausschließlich für uns da, deshalb dürfen wir auch immer und überall lärmen, Dreck machen, umwidmen und umwälzen. Kein Gedanke daran, dass es Höheres geben könnte, als die gegenwärtigen Nutzungsverhältnisse.
Dem respektlosen Streetfighter kann man mit Bruckner nicht kommen. Was er hat, hat er sich selbst aufgebaut: Meistens ist das eine Hartz-IV-Karriere, ein beachtliches Standing im Koma-Saufen, Zugang zu Anabolika, ein paar muskulöse Suffkumpels und ein ungewolltes Kind mit irgendeinem Mädel aus der Nachbarschaft, das er nicht mag, weil er so immer im Zusammensein mit seinen Kumpels gestört wird. Das klingt menschenverachtend? Es ist nicht halb so zynisch wie sich der postmoderne Rächer-Rapper selbst gibt.
Respektlosigkeit, vermutlich einst hervorgerufen durch die berechtigte Skepsis vor Heldentumsphraseologie, Personenkult, Massenverführung, ist heute Credo aller Modernen – da nichts so groß ist wie ich, muss mir alles zur Verfügung stehen. Anbetung, bedingungslose Hingabe an weniges, wurde durch Gier nach allem ersetzt. Unterschiede darf es jenseits von Geldbeträgen nicht mehr geben. Wo nur das Beste allen immer zur Verfügung stehen soll, wird alles Mittelmaß.
Eine frühere Freundin, ganz und gar keine Bürgerliche, gar Rechte, sondern antifaschistisch gesonnen und durchaus weit links stehend, meinte beim Auftritt solcher Zeitgeistwürstchen: „Nicht alles ist für alle da.“
Nicht wirklich zum hier behandelten Thema, aber sicher ganz interessant für dich und dein „Verältnis“ zu einer bestimmten Gruppierung:
http://jungle-world.com/artikel/2010/07/40372.html
Letzter Abschnitt…Inglorious Basterds. Die Namensgebung des kurzen Beitrages stärkt doch meine These der Hingezogenheit zum Militärischen, oder nicht?
Beste Grüße
tim
Nichts dagegen, dass das eine Rolle spielt. Ich sträube mich nur dagegen, darin die alleinige Erklärung für das Erscheinungsbild der Antifa-Linken zu sehen …
Naja, der Abschnitt selbst ist unbrauchbar als Beleg, weil durch postmoderne Witzelei so zugerichtet, dass der Verfasser wohl selbst nicht weiß, ob er nun links, rechts oder sonstwas ist. Ich fühle mich da übrigens auch bestätigt – Du weißt schon, wehrhafter Rechtsstaat und so…
Guten Sonntag,
ich würde gern noch einmal mit einer unbeantworteten Frage nerven: Hast du die in Israel weit verbreitete Nervosität und Respektlosigkeit nicht ehedem für lebendig-anziehend, und die feuchte Ruhe des Thüringer Waldes für Grabesstille befunden? Gerade der Konzertsaal, das Lärmen und Dreck machen sind erfreulich passende Beispiele für dies „Umwidmen“ auf deiner Seite.
Vorschlag zur Güte: Vielleicht sollte es jedem zugestanden sein, sich von „Heldentumsphraseologie“ u.ä. weg- und sich weiterzuentwickeln. Dass alles zur Verfügung stehen müsse, ist bekanntlich lange kapitalistische Tradition und nicht die andere Seite, zu der das Pendel jetzt ausschlage. Die Weiterentwicklung wird also mehr als bloß Besinnung auf die „stille Würde des Geschehens“ erfordern.
Vorsichtige Anfrage: Spielst du mit „Anbetung, bedingungslose Hingabe an weniges, wurde durch Gier nach allem ersetzt.“ die eine Seite gegen die andere aus?
Hallo,
nein, ich denke nicht dass das alles in einen Topf gehört. Ich glaube, Du rührst hier, weil Du mich kennst, zuviel zusammen.
Die Respektlosigkeit, von der hier die Rede ist, ist nicht irgendwie individuelles Programm gegen die genannte Heldentumsphraseologie (die es heute – seien wir ehrlich – kaum noch gibt: bekanntlich „wissen“ ja alle, dass die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan „Mörder“ sind), sie hat dort vielleicht ihre historische Wurzel. Heute ist sie einfach Ausdruck postmodernen Zerfalls, der mit der spezifischen Tel Aviver Rotzigkeit wenig und mit mangelnder Integration in die Gesellschaft (Exklusion fast) und so der Wahl falscher Vorbilder viel zu tun hat. Natürlich kann man sofort die Interpretation bzw. Identifizierung des Problems als „kapitalistisch“ hinterherschicken – nur, was ist damit erklärt? Es ist doch nur der Wunsch ausgedrückt, dass alles Schlimme von einem Tag auf den anderen verschwinden könnte, wenn, ja wenn die „Verhältnisse“ nicht so wären. Tautologisch, nicht wahr? Es mag so sein, dass das kapitalistische Normalentwicklung ist, doch ich gucke hier phänomenologisch, nicht zuletzt aus dem Verdacht heraus, dass all diese Bösartigkeiten, diese Nivellierung von allem und jedem nicht einfach mit einem Umbau der Produktionsweise verschwunden sein werden.
Ich hoffe nicht, dass das ein Ausspielen einer gegen die andere Seite ist, aber der Wunsch, ein paar Dosen des Gegengifts zu verabreichen, ist schon da. Soviel kann ich zugeben.
Ich verstehe und teile bis zu einem gewissen Grade dein Bedürfnis nach einem wehrhaften Rechtsstaat, der eben auch ein strafender sein muss. Aber verstehst du nicht, trotz aller ehrenwerten Religiösität, das Bedürfnis Nationalsozialisten körperlich zu strafen? Wir reden hier nicht von Tötungsabsicht wohlgemerkt und auch die Exekutive straft oft genug in dieser Art.
Im übrigen ist dem Artikel, trotz aller postmodernen, ungenauen und letztlich auch verlogenen Schwurbelei, nicht nur die Absage an die Stellung der Machtfrage durch das Mittel der Straßenschlacht, wie überhaupt ein absolutes Desinteresse an eben jener, zu eigen, sondern ihm lassen sich auch noch jede Menge militärisch konnotierter Sprachfetzen, wenn es auch nur Fetzen sein mögen, entnehmen.
Gruß ins Künstlerviertel
tim
P.S.: Was hast denn ausgerechnet du gegen die Ruhe feuchter Wälder, die ja nie wirklich ruhig sind? Am Ende wohl doch lieber Soft Cell statt Nachtigallens Lied…wie traurig.
[…] auf Straßengangster gemodelte HipHop-Nölbrötchen will Anerkennung (vulgo: Respekt). Meine schwulen und lesbischen Brüder und Schwestern wollen sie gar vom Staat – dafür, dass […]