Frank Lisson ist Schriftsteller, Jahrgang 1970. Er schreibt in der Zeitschrift „Sezession“ und in der „Jungen Freiheit„. Sein bisher dickstes Werk ist eine Zivilisationskritik von rechts: Homo Absolutus: Nach den Kulturen. Als „Kritiker“ im emphatischen Sinne möchte Lisson sicher nicht gelesen werden, zu sehr erinnert das an die Kritische Theorie (106). Zudem ist er ein Rechter. Dennoch: Bis in Formdetails erinnert viel an den Kultur- und Technikpessimismus der Frankfurter, immer noch das Beste an der Kritischen Theorie; das Buch versammelt längere Aphorismen nach kurzem Anreißertitel, Punkt und Spiegelstrich, gleicht so formal den „Minima Moralia“ und ähnelt äußerlich und in der Attitüde oft Nietzsches Aphoristik. Inhaltlich ist Lisson Nietzsche dann nahe, wenn er die Einsamkeit des Homo Absolutus feiert, den Menschen, der begriffen hat, dass sein Leben nach den Kulturen stattfindet, abgeschnitten von jeder gesicherten Tradition, er also ganz auf sich gestellt ist in der Bewahrung von Werten und Herkunft.
Doch viel mehr als Nietzscheaner ist Lisson Spenglerist – er betont die Notwendigkeit der von ihm beschriebenen Entwicklung ebenso stark wie Spengler den Untergang der Welt, in der er lebte. Überhaupt ist Spengler die Lösung des Hauptproblems beim Verstehen von Lissons Schöpfung: Ist der Homo Absolutus zu begrüßen oder – als Verfallserscheinung – ein ebenso verächtliches Produkt wie die Zivilisation, die die Kultur abgelöst haben soll? Antwort mit Spengler: Es geht nicht um Sympathie oder Antipathie, sondern um die historische Notwendigkeit der Entstehung eines (Minderheiten?)typus´, der versucht, die Reste der Kultur aufzusammeln, der dem – in Lissons Terminologie – allseitig sozialdemokratischen Konformitätsdruck standhalten will, der sich aber auch nicht in Illusionen wiegt, die glorreiche Vergangenheit könnte auferstehen. Homo Absolutus ist es in jedem Fall versagt, beim Treiben der Zivilisationsäffchen mitzutun.
Das Problem aber, das so leichthin durch Spengler gelöst scheint, verfolgt den Leser fast 500 Seiten lang. Homo Absolutus scheint es nicht nur in der Variante zu geben, mit der Lisson sympathisiert, sondern auch in „vulgarisierte(r) Form“ (369) – hier wird aus dem Einzelnen, auf sich gestellten Aktiven der pure rücksichts- und gedankenlose Egoist, mit der selben Besserwisserattitüde ausgestattet, wie der einsame Aktivist und doch seine Absonderung immer nur für den eigenen miesen Vorteil benutzend. Wer denkt da nicht an die alte „Neue Linke“?
Demnächst mehr.
Lisson, Frank: Homo Absolutus: Nach den Kulturen, Edition Antaios, Schnellroda, 2008
[…] März 2010 von Holger Lissons Zivilisationsverachtung rekurriert in jedem Fall nicht auf Natur (Zivilisation als […]